"Das Knie von Diktator Museveni drückt schon zu lange auf unseren Hals" (2024)

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"Das Knie von Diktator Museveni drückt schon zu lange auf unseren Hals" (1)
Globale Gesellschaft
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In Reportagen, Analysen, Fotos, Videos und Podcasts berichten wir weltweit über soziale Ungerechtigkeiten, gesellschaftliche Entwicklungen und vielversprechendeAnsätzefür die Lösung globaler Probleme.

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Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus hat Uganda bereits vor mehr als zwei Monaten harte Maßnahmen ergriffen: Seit Anfang April herrscht einer der striktesten Lockdowns auf dem afrikanischen Kontinent. Eine nächtliche Ausgangssperre wurde etabliert, öffentliche Transportmittel eingestellt, und ein Großteil der Bevölkerung darf immer noch nicht arbeiten.

Bis Mitte Juni wurden nach Regierungsangaben mehr als 150.000 Menschen auf das Coronavirus getestet und 724 Corona-Infektionen registriert. Offiziell ist niemand an Covid-19 gestorben. Das ostafrikanische Land gilt als ein Musterbeispiel für schnelle und effektive Präventionsmaßnahmen.

Doch es gibt auch Gegenstimmen, denn in dem autoritären Staat setzte die Polizei den Lockdown teils mit Schlägen und Inhaftierungen durch. Das Thema Polizeigewalt ist in Uganda nicht neu: Bereits im vergangenen Jahr wurde einer der wichtigsten Oppositionsführer, der Abgeordnete und Musiker Robert Kyagulanyi, bekannt als Bobi Wine, festgenommen, weil er einen Song gegen die Polizeigewalt veröffentlicht hatte.

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Während des Lockdowns stiegen die Preise für Lebensmittel stark an. Menschen fürchten um ihr Überleben - nicht wegen des Coronavirus, sondern weil viele kein Geld mehr verdienen und sich keine Nahrung leisten können. Mitglieder der Oppositionspartei People Power organisierten die Verteilung von Grundnahrungsmitteln an Bedürftige. Präsident Yoweri Museveni kündigte daraufhin an, dass jeder der Essen verteilt, verhaftet und des versuchten Mordes beschuldigt werden würde – Essensausgaben könnten Menschenaufläufe verursachen und das eine Verbreitung des Virus zur Folge haben.

Die dann von Museveni angekündigte Hilfe für Hungernde im Land blieb jedoch größtenteils aus. Am 18. Mai demonstrierte die Menschenrechtsaktivistin Stella Nyanzi in der Hauptstadt Kampala mit einigen Anhängern. "Wir brauchen Essen" und "Hört auf, Covid-19 zu nutzen, um Menschenrechte zu verletzen" stand auf den Transparenten.

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Nach wenigen Minuten wurde Nyanzi von mehreren Polizisten zu Boden gedrückt, verhaftet und für drei Tage in einer Zelle festgehalten. Im Interview spricht sie darüber, wie sie die Haft erlebt hat, was der Lockdown und die Polizeigewalt in Uganda bedeuten und warum sich in der breiten Bevölkerung kaum Widerstand regt.

Zur Person
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Stella Nyanzi, Jahrgang 1974, ist eine medizinische Anthropologin, Feministin und Aktivistin in Uganda. Sie hat an der Makerere Universität in Kampala und am University College in London studiert und setzt sich seit einigen Jahren für Menschenrechte ein. Für ihren Aktivismus wurde sie mit Preisen wie dem »International Award for Freedom of Expression« ausgezeichnet.

SPIEGEL: Frau Nyanzi, Sie wurden bei einer Protestaktion, die Aufmerksamkeit für die hungernde Bevölkerung Ugandas schaffen sollte, festgenommen. Was wird Ihnen vorgeworfen?

Nyanzi: Ich wurde nicht für ein Verbrechen verhaftet. Es war eine exemplarische Bestrafung, weil ich es wage, meine Meinung zu äußern. Konkret wird mir vorgeworfen, gegen gesetzliche Anordnungen verstoßen zu haben. Dabei ist es nach unserer Verfassung unser Recht, friedlich zu demonstrieren. Wir trugen außerdem Masken und hielten Abstand.

SPIEGEL: Der Polizeisprecher Patrick Onyango sagte einer Nachrichtenagentur, Sie würden "die Covid-19-Situation ausnutzen, um ihre politischen Anliegen voranzutreiben".

Nyanzi: Nun, das kann man wohl besser über Diktator Museveni sagen. Er nutzt die Coronakrise aus, um seine Macht zu stabilisieren. Gleichzeitig lässt er sein Volk hungern.

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SPIEGEL: Wie erleben Sie die Situation in Uganda?

Nyanzi: Es gibt sehr viele Menschen in unserem Land, die dringend Nahrung benötigen. Das wenige Essen, das die Regierung verteilt hat, war oft schlecht: abgelaufenes Milchpulver, verrottete Bohnen. Mich haben fremde Menschen um Hilfe gebeten, weil sie mich in einem Auto gesehen haben und dachten, wenn ich Geld für Benzin habe, kann ich ihnen vielleicht etwas zu essen kaufen. Wie hart der Lockdown uns trifft, darf aber in Uganda nicht thematisiert werden. Wer sich äußert, wird verhaftet. Das hat nichts mit Corona zu tun. Museveni kann nun seine Gegner mehr denn je zum Schweigen bringen. Uns mit Ausgangssperren und Hunger unter Kontrolle halten. Das ist auch mit Blick auf die anstehenden Wahlen wichtig für ihn.

SPIEGEL: Die Präsidentschaftswahlen wurden von der Regierung nun für Anfang 2021 angekündigt. Wird denn ein hungerndes Volk den Präsidenten im Amt bestätigen?

Nyanzi: Museveni ist sich bewusst, dass viele wütend auf ihn sind. Er behandelt aber seine Gegner so hart, dass die Angst vor ihm die Wut überwiegt. Proteste wie zum Beispiel in unserem Nachbarland Kenia finden in Uganda nicht statt, die Menschen fürchten, ins Gefängnis geworfen zu werden. Die Wahl wird außerdem wieder eine einzige Farce sein. Es gibt in Uganda viele Witze darüber, dass der alte schon jetzt der neue Präsident ist. Immer passiert das Gleiche: Wahlunterlagen verschwinden, die Auszählung der Stimmen ist zweifelhaft. Jetzt sind zusätzlich alle Wahlkundgebungen verboten, Präsidentschaftskandidaten dürfen nicht vor den Menschen sprechen und sich auch nicht mit den Mitgliedern ihrer Partei treffen. Es ist kaum möglich, unter diesen Umständen eine starke Opposition oder einen Widerstand zu organisieren.

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SPIEGEL: Yoweri Museveni ist seit 1986 Präsident von Uganda. In der internationalen Gemeinschaft genießt der ehemalige Freiheitskämpfer teils hohes Ansehen. Er steht unter anderem für wirtschaftlichen Aufschwung und Erfolge im Umgang mit der Aids-Epidemie sowie der Corona-Pandemie.

Nyanzi: Das macht mich wütend. Seit Jahren werden wir unterdrückt. Viele von uns trauen den Corona-Statistiken nicht, und es ist eine Schande, wenn die Weltgemeinschaft das einfach tut. Museveni spricht von einem Krieg gegen das Coronavirus. Ein Krieg! Wissen Sie, was ihm diese Vokabel erlaubt? Sie ermöglicht es, uns mithilfe des Militärs und der Polizei noch mehr zu unterdrücken. Gesetz ist nun das, was Museveni im Fernsehen sagt. Im Parlament wurde nichts davon verabschiedet. Menschen werden von Polizisten auf der Straße zusammengeschlagen und ohne Anhörung eingesperrt.

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SPIEGEL: Wie haben Sie Ihre Festnahme und die Haft erlebt?

Nyanzi: Ich wurde brutal behandelt. Eine unbewaffnete Frau mit einer Trommel! Polizisten warfen mich in eine Zelle und ich verlor das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, lag mein Kopf neben einer bis zum Rand mit Exkrementen gefüllten Kloschüssel. Ich war mit blauen Flecken übersät und konnte mich kaum bewegen, sie haben meinem Rücken sehr zugesetzt. Drei Tage war ich eingesperrt. Mir und auch den anderen Insassen wurde kein Essen gebracht. Aus einem Wasserhahn konnten wir zumindest ab und zu etwas trinken. Ich durfte keinen Anwalt sprechen, keinen Arzt treffen und bekam auch meine Brille nicht zurück, sodass ich kaum sehen konnte.

SPIEGEL: Sie wurden mehrfach inhaftiert, unter anderem, weil Sie den Präsidenten und seine Frau in einem Streit als "ein Paar Arschbacken" bezeichnet haben, nachdem diese das Wahlversprechen nicht eingehalten hatten, kostenfreie Monatshygieneprodukte für Mädchen auszugeben. Von Oktober 2018 bis Februar 2020 waren sie im Luzira Hochsicherheitsgefängnis, weil Sie auf Facebook ein Gedicht über die vagin* von Musevenis Mutter veröffentlicht hatten. Ist Ihre vulgäre Sprache ein Problem?

Nyanzi: Diese Sprache wähle ich bewusst. Sie ist das Gegenteil von den leeren Sätzen, die wir von unserer Regierung hören. Sie erregt Aufmerksamkeit, die Uganda dringend nötig hat. Meine Kinder und viele andere haben mich nach der Entlassung im Februar trotzdem angefleht, nun Ruhe zu geben. Nichts mehr auf Facebook zu veröffentlichen, damit ich am Leben bleibe.

SPIEGEL: Sie posten noch immer mehrmals täglich regierungskritische Beiträge in den sozialen Medien.

Nyanzi: Ich kann nicht anders. Ich kann die Gewalt in unserem Land nicht hinnehmen. Notfalls muss ich dafür sterben. Keiner sieht uns. Vielleicht brauchen wir noch viel mehr Tote, damit die Welt uns zur Hilfe kommt? Das Knie von Diktator Museveni drückt schon zu lange auf unseren Hals.

Dieser Beitrag gehört zum Projekt Globale Gesellschaft

Unter dem Titel »Globale Gesellschaft« berichten Reporterinnen und Reporter aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa – über Ungerechtigkeiten in einer globalisierten Welt, gesellschaftspolitische Herausforderungen und nachhaltige Entwicklung. Die Reportagen, Analysen, Fotostrecken, Videos und Podcasts erscheinen in einer eigenen Sektion im Auslandsressort des SPIEGEL. Das Projekt ist langfristig angelegt und wird von der Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt.

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Die Stücke sind beim SPIEGEL zu finden auf der Themenseite Globale Gesellschaft.

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